So revolutionär die weibliche Emanzipation auch gekommen sein mag, so rückständig ist sie doch in einigen Bereichen noch. Wenn man mit über dreißig an Events teilnimmt, sei es im beruflichen oder im privaten Umfeld und bei dem in Deutschland üblichen Sekt Aperitif lieber zu einer Apfelschorle greift, so heißt es gleich: Bist du schwanger? Doch manchmal fragt man sich, wie – Schaut euch die Männer heutzutage doch mal an!
Noch schlimmer wird es im familiären Bereich, wenn Oma Inge und Tante Gertraut aus dem bayrischen Wald oder der Nordsee-Hütte kriechen. Einzig allein mit dem Ziel auf der anstehenden Familienfeier wieder ein bisschen Gossip zu fischen. Stets und ständig wird man in meinem Lebensalter als Frau gefragt: Hast du einen Partner? Die nächste Frage ist übrigens oftmals: Was macht er beruflich – anstatt mal zu fragen, was ich denn beruflich mache und wie es läuft – Wann heiratet ihr? Und mein Highlight ist meist: Und wann wollt ihr Kinder kriegen, nicht ohne mit einer hochgezogenen Augenbraue hinzuzufügen: Langsam wird’s ja auch Zeit bei dir!
Sollte man empörender Weise diese Fragen sogar damit beantworten zu sagen: Nein, ich habe keinen Freund und bin Single! So folgt von der älteren Generation umgehend der Verkupplungsversuch: Du, die Tante Erna vierten Grades (nun folgt erstmal eine Analyse des Verwandtschaftsgrades mit ausführlichem Name-Dropping) hat einen Sohn und der hat einen Freund, der erfolgreicher Bänker ist (wichtigste Info zuerst) und soweit ich weiß solo ist.
Toll, danke schön, doch auch dieser finanziell gut angepriesene Typ wird sich in mein Männer Medley einfügen, wie einfach alle…
Wenn die Damen der anderen Generationen doch nur sehen könnten, was ich sehe.
Tagein, tagaus. Am liebsten würde ich mir jeden Tag, wenn ich das Haus verlasse, ein Cappy mit integrierter Kamera aufsetzen und am Ende jeder Woche ein Männer Medley verschicken. Denn diese Kerle, die heutzutage in der freien Wildbahn rumlaufen, die will keiner haben, da wäre auch Oma Inge leise…
Es dauert nur wenige Minuten, wenn man an der Bahn wartet, wo sofort klar wird: Gentleman-Verhalten oder Ladies first, hat keiner dieser egomanen Neuzeit-Neandertaler jemals gehört. Man wird auch als kleine Frau weg gedrängelt von den Männern, geschubst und hat als erste Amtshandlung des Tages gleich mal einen Ellenbogen im Gesicht. Wenn man sich dennoch in die Bahn vorgekämpft hat, wundert man sich über die Verhaltensweisen von eigentlich normal aussehenden Männern. Der eine popelt, der andere kratzt sich im Schritt und der nächste gibt nur animalische Grunzgeräusche am Smartphone von sich auf dem untersten Bildungslevel, mit ordentlich viel „Ey Bruder“ mittendrin.
Na gut, vielleicht findet man in der Bahn nicht so viele von den angepriesenen Bänkern. Raus aus der Bahn und auf dem Weg zur Arbeit fährt die nächste Kutsche mit potenziellen Partnern an mir vorbei. Ein Audi A6, eigentlich ein gutes Auto, nicht assi und recht teuer, drei Männer um die Dreißig grölen und der eine hält seine Krücke im Takt zur Musik aus dem Fenster.
Männer-Medley: Mein Gott, noch mal, ist das Irrenhaus abgebrannt? Wie alt seid ihr? 18?
Nach der Arbeit habe ich dann noch einen Drink mit einer Freundin genommen, in einer Hamburger Bar. Ich schaue mich um, in der Hoffnung meine Vorurteile widerlegen zu können, doch Pustekuchen. Männer, die mit Freundinnen da sind, fummeln nur am Handy, anstatt an ihrer hübschen Partnerin. Wahrscheinlich sogar noch bei Tinder oder so, um weitere Optionen zu checken. Getränke bei der überfüllten Bar holt meist sie. Fehlanzeige, dass man hier noch das evolutionäre Dating- und Paarungsverhalten beobachten kann, wie es noch im Tierreich funktioniert. Er wirbt kaum noch um sie, er benimmt sich wie er will und sie sitzt meist still daneben und erträgt es.
Das ist die einzige Parallele zu den 50er Jahren, die Oma Inge verstehen könnte. Am liebsten würde ich das alles filmen und jedem, der mich als nächstes nach dem perfekten Partner, Hochzeit und Kindern fragt, einfach nur sagen:
„Hier schau dir das Männer-Medley der letzten Woche an – Welchen davon soll ich deiner Meinung nach ehelichen?“
Dir gefällt dieser Beitrag nicht? Dann #blogmichdoch!