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Schwules Blut – wieso Blutspenden mein Leben beeinflusst!

Neulich riefen die heimischen Medien, in meinem Fall die österreichischen, die Bevölkerung zur Blutspende auf. Seit Beginn der Pandemie sind weniger Menschen zur Spende gegangen. Das führte wohl zu drastisch verminderten Lagerkapazitäten in den letzten 18 Monaten. Kaum war der Post der Nachrichtenportale auf allen sozialen Kanälen veröffentlicht, ging die Kommentarflut los. Der Großteil der Kommentare liest sich im Rahmen von “geht nicht, weil 💅”. Wer sich jetzt wundert, was lackierte Nägel mit Blut spenden zu tun haben: Es ist das neue Erkennungszeichen u.a. für schwule Männer! Warum allein das in meinen Augen problematisch ist, erkläre ich in einem anderen Post. Die eigentliche Frage bleibt dennoch: warum ist schwules Blut nach wie vor so ein heißes Thema? Dafür ist wohl ein kleiner Ausflug in die Geschichte und Medizin notwendig.

Schwules Blut: ein Stigma seit den 1980ern

Anfang der 80er Jahre wurde AIDS, das durch das HI-Virus ausgelöst wird, als eigenständige Krankheit anerkannt. Mit mehr als 39 Millionen Opfern seit Beginn der Aufzeichnungen ist es die tödlichste aller sexuell übertragbaren Krankheiten. Zudem ist HIV trotz medizinischer Fortschritte nicht heilbar. Seit dem epidemischen Ausbruch der Krankheit in den 1980ern vor allem unter schwulen Männern gelten HIV und AIDS deswegen nach wie vor als Randgruppen-Erscheinung. Daher rührt auch die Bezeichnung “schwules Blut” als klare Abgrenzung zu “normalem Blut”. Die Statistik heutzutage zeigt jedoch klar, dass weltweit Männer und Frauen fast gleichermaßen davon betroffen sind. Der Höhepunkt der Infektionsrate war in den späten 90er Jahren. Seither ist die Rate weltweit rückläufig. Durch den Einsatz von antiretroviraler Medikamente können Menschen ein relativ unbeschwertes Leben führen. Diese Medikamente können die Viruslast im Körper so stark reduzieren, dass sie nicht mehr nachweisbar ist.

Viele Fortschritte in diesen Bereichen finden jedoch immer noch keine Berücksichtigung in der Gesetzgebung. In Österreich muss ich als schwuler Mann 12 Monate auf Sex mit einem Mann verzichten, bevor ich zur Blutspende gehen darf. Selbst wenn ich einer geschlossenen, monogamen Beziehung mit meinem Partner lebe, bin ich automatisch ausgeschlossen, sofern wir sexuell aktiv sind. Oralverkehr zählt dabei bereits als sexuell aktiv. Jeder Hetero mit drei oder weniger wechselnden Sexualpartnern im Jahr ist dagegen berechtigt zu spenden. Als weiteres Beispiel bin ich nach Sex mit einer Prostituierten nur für vier Monate ausgeschlossen. An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich höchsten Respekt vor allen Sexarbeitern habe. Ich prangere die vorherrschende Diskriminierung an, dir mir per Gesetz “schwules Blut” unterstellt. Damit wird mein Blut rein rechtlich als minderwertig angesehen. Dabei wird jede Blutspende auf genaueste untersucht und überprüft – insbesondere auf HIV.

Was bedeutet das für mich?

Kurzum: das Gesetz diskriminiert mich pauschal, weil ich schwul bin und mir unterstellt, dass ich permanent wechselnde Sexualpartner habe. Selbstverständlich passiert das Ganze auch ohne Verhütung. Die ohne Gummi, ohne mich-Regel fliegt aus dem Fenster, sobald ich eine Erektion habe. Ganz zu Schweigen von den monatlichen Orgien, die ich im heimischen Wohnzimmer veranstalte und auf Onlyfans übertrage! Denn das ist das gesellschaftliche Klischeebild, mit dem ich gerne konfrontiert werde. Nicht selten folgen Beleidigungen wie AIDS-Schleuder, um der Thematik sachlich fundierten Nachdruck zu verleihen. Schließlich sind alle schwulen Männer dieser Welt sexuelle Schwerenöter und die restliche Bevölkerung zahme Lämmchen. Ohne eine Änderung im Gesetz wird die Kennzeichnung schwules Blut weiterhin existieren. So lange wird sich auch gesellschaftlich nicht viel ändern.

Als Teil der Gesellschaft möchte ich genauso helfen im Rahmen der Möglichkeiten. Selbstverständlich könnte ich auf dem Formular bei der Blutspende lügen. Doch welchen Sinn macht das? Ich erwarte mir, dass alle ehrlich sind bei der Beantwortung dieser Formulare. Nur durch Ehrlichkeit lassen sich Leben retten. Egal, ob mir schwules Blut oder Hetero-Blut verabreicht wird. Denn es ist in beiden Fällen rot und kann mir im Notfall helfen. Für alle, die sich jetzt fragen: ja, ich war vor Kurzem bei der Blutspende, weil ich die gesetzlichen Auflagen erfülle. Ich plane es auch weiterzuführen, solange ich rechtlich infrage komme. Dennoch finde es nicht in Ordnung mich entscheiden zu müssen, ob ich eine Beziehung führe oder Blutspenden darf. Ich sollte die Möglichkeit haben, beides zu tun. Ich bin schließlich auch ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft und nicht nur eine Randgruppen-Erscheinung.


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Ich, Joachim, bin ein Repräsentant der LGBTQ+ Community. Ich falle unter den Buchstaben G. Also, kurz gesagt: ich bin schwul! Damit kann ich aus einem ganz speziellen Blickwinkel über das Zusammenleben von Frauen und Männern berichten. Oder besser gesagt, warum es oftmals nicht so klappt.Neben dieser Sichtweise berichte ich auch über das Dating-Leben aus meiner Welt.