Schwuler bester Freund: Ist er der beste Beziehungsberater?

Jeder kennt die Situation: Sie will über den Tag reden und Pläne fürs Wochenende machen, ihr Partner hat gerade überhaupt keinen Bock. Sie beginnt daraufhin sofort mit der Situationsinterpretation. Natürlich spielt eine Frau sämtliche Szenarien von „Jetzt habe ich ihm doch extra Steak gemacht “ und endet bei „Ich bin mir seiner Gefühle mir gegenüber nicht sicher“ durch. Er möchte nur für eine Stunde Ruhe haben, weil der Tag lang war und die Arbeit einfach nur noch nervt. Das Ganze schaukelt sich hoch zum Streit. Als er gar nicht mehr mit ihr spricht, gibt es nur noch einen, der ihr helfen kann, ihr schwuler bester Freund!

Ziemlich gefrustet verabredet sich zum Analyse-Abend mit ihrem GBF –  dem gay best friend. Die Idee dahinter ist klar, als Mann muss ihr GBF das Verhalten ihres Freundes verstehen und nachempfinden können. Außerdem ist er in der Lage, es aufgrund seiner Homosexualität in weiblich angepasster Kommunikationsform zu erklären. Hach herrlich, der perfekte Beziehungsberater für Frauen eben, oder doch nicht?

Wo finde ich einen GBF?

Ein toller Gedanke und eine schöne Wunschvorstellung.  Am besten noch in der Funktion der modeberatenden Shoppingbegleitung, die zum Mädelsabend kommen darf und mit Vorliebe RuPaul’s Drag Race schaut. Vielleicht kann der schwule beste Freund sogar mit Make-up Tipps weiterhelfen?! Doch woher bekomme ich denn jetzt einen GBF, also einen schwulen Mann auf der Suche nach neuen besten Freunden? Beim Sonntagsbrunch im Szenelokal unverfroren an den Tisch der Prosecco-schlürfenden Männer heranpirschen? Beim nächsten Termin meinen Haarstylisten mit meinen Beziehungsproblemen bombardieren? Oder gar beim nächsten CSD auftauchen, mit dem klaren Ziel „Heute schnapp ich mir einen GBF“?

Schwuler bester Freund als Beziehungsberater? Der Schein trügt!

So einfach ist das allerdings auch nicht. Schließlich ist ein schwuler Mann kein Trendaccessoire, das es momentan in gängigen Boutiquen als Teil der Winterkollektion zu erstehen gibt. Allen voran ist ein schwuler Mann ein Mensch mit Persönlichkeit und vielschichtigen Facetten, der sein Leben bestreitet wie alle anderen auch.  Denn genauso bunt wie die Regenbogenfahne der LGBTQ+ Community sind es auch all die Menschen, die Teil dieser Community sind.

Sicherlich lässt sich nicht verleugnen, dass ein GBF Einblick in die Welt der Diskussion Mars vs. Venus bekommt. Oftmals macht er sich durch persönliche Erfahrungen bedingt diese beide Geschlechterrollen zu eigen und nutzt die Vorteile daraus. Unter diesen Voraussetzungen ist er mit Sicherheit ein wertvoller Gesprächspartner. Die Detailanalyse des Gesagten und Nicht-Gesagten, diverser Gesten und nachgestellte Mimiken in diesen intensiven Gesprächen zwischen dem schwulen besten Freund und der momentan gefrusteten Freundin, enden aber dann meistens doch bei dem Ergebnis, dass Männer und Frauen unglaublich unterschiedlich kommunizieren.

Frauen betrachten gerne alle Aspekte in einem Gespräch. Das beinhaltet die Situation und die Umgebung. Zusätzlich werden auch vergangene Momente mit einbezogen. Frauen reden und reden, bis die meisten Kerle wortkarg werden. Männer tendieren dazu Dinge gerade raus zu sagen und meinen sie auch so. Es sind keine kryptischen Subnachrichten eingebaut, die man gerne in liebevollster Kleinstarbeit versucht zu identifizieren, zu beleuchten und diese anschließend bedeutungsschwanger zu interpretieren. Das gilt bei Männern im Übrigen für die Hetero- als auch die Homo-Welt nach meinem Erfahrungsstand.

Und mit dieser auch für mich wieder absolut ernüchternden Erkenntnis gönne ich mir jetzt ein Glas Prosecco zur Erheiterung meines Daseins als GBF.

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