Seit vielen Jahren findet schwules Dating zu großen Teilen online statt. Wir haben eine App für verschiedene Bedürfnisse. Zumindest war das mal so. Für mein Verständnis ist die Abgrenzung hier nur noch das Zeitintervall, für wann das nächste Sex-Date gesucht wird. In der Abfolge „jetzt zu längerfristig“ gehen wir von Grindr zu PlanetRomeo über zu Tinder, um die beliebtesten Apps zu nennen. Der Ablauf der Gespräche ist zu 99,5 % immer der gleiche und kann schon fast mit vorgefertigten Textbausteinen abgewickelt werden. Es wird zum Date nach Plan.
Was mich hier jedoch verwundert, sind die mittlerweile immer höheren Anforderungen. Es werden nicht mehr nur Präferenzen abgeklärt. Nein, es muss auch schon mindestens ein etwas außergewöhnlicher Fetisch dabei sein. Wer nicht auf Rauschmittel steht – sei es Poppers, Gras oder sonstige Chems – braucht gar nicht groß weiterschreiben. Über das Thema Gummi spricht man am besten gleich gar nicht mehr. Schließlich ist man ja auf PrEP. Das schützt ja seit neuestem gegen jede Krankheit. Am besten sollte man auch diverse Skripte pro Bedürfnis parat haben. Die Herausforderung ist natürlich sofort zu erahnen, welches der Skripte am besten ankommt. Bei kopflosen Sexprofilen ohne Information ist die Wahrscheinlichkeit auch immens hoch, auf Anhieb das richtige Drehbuch auszupacken.
Wenn ein Date nach Plan regelrecht zum Porno-Dreh wird!
Wenn man dann im Dschungel der Apps den richtigen Typen zur richtigen Zeit erwischt und mit seinem Drehbuch überzeugt, kommt es zum Date nach Plan. Ort & Zeit, Lagebeschreibung und Outfit sind besprochen. Das Skript #6 wurde gewählt, mit Augenbinde und angelehnter Wohnungstür. Dort angekommen wechselt man auch kein Wort, sondern es geht gleich über in Aktion. Das Ganze endet dann je nach Absprache und Stehvermögen zwischen 15 und 30 Minuten. Dann gilt es nur noch die Hose hochzuziehen und sich aus dem Staub zu machen. Man könnte ja fast meinen, wir sind beim Porno-Dreh. Es fehlt eigentlich nur noch das Kuvert mit Bargeld zur Bezahlung.
Auf der anderen Seite sehe und lese ich über immer mehr schwule Männer, die durch Skripte ziemlich abgeturnt sind. Die meisten von uns sind eben doch keine bezahlten Pornodarsteller. Der vorgelebte Orgasmus ist mehr Fiktion und nicht Realität. Wann wir diesen Unterschied übersehen haben, ist mir allerdings nicht ganz klar? Für mich fühlt es sich meist eher nach dem olympischen Prinzip „Höher, schneller, weiter“ an. Sex als Hochleistungssport finde ich persönlich jedoch befremdlich. Noch viel befremdlicher finde ich sich mit einem Date – ja auch mit einem Sex-Date – nicht mehr fünf Minuten vorher und nachher kurz zu unterhalten. Ist das schon so oldschool oder gar die schwule Version von der heteronormativen Reglung „drei Dates bevor ich ihn ranlasse“?
Sich mal wieder auf Drinks treffen!
Das Motto „leben und leben lassen“ gilt selbstverständlich auch in diesem Fall für beide Seiten. Ich habe nur momentan das Gefühl, dass viele es unglaublich ermüdend finden im olympischen Wettkampf der Porno-Skripte einen Kerl zu landen. Ein Date nach Plan ist auch einfach viel Arbeit. Meiner Erfahrung nach sind diese Treffen auch meist nur halb so befriedigend, wie man sie sich vorstellt. Im Regelfall kann man mit einem kurzen Gespräch feststellen, ob die Chemie stimmt – auch für einen One-Night-Stand. Deswegen treffe ich mich gerne auf Drinks. Danach kann man sich ja immer noch bei jemandem zu Hause treffen.
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