Magazin und Shop für und gegen die Liebe

Beleidigung beim Online-Dating: Ist aggro das neue sexy?

Nachdem Tom Daley im knappen Badehoserl nun endlich seine Goldmedaille gewonnen hat und der Medaille ein kleines Tascherl gestrickt hat, ist es offensichtlich wieder vorbei mit der „wholesomeness“. Denn kaum haben wir nichts mehr zu gaffen, wenn die olympischen Spiele im Turmspringen vorbei sind, werden auch wieder sämtliche überstimulierten Sexualrezeptoren auf Null gesetzt. Damit schaltet sich offensichtlich der Verstand aus. Mit dem Verstand geht auch der zuletzt mangelnde Anstand beim Online-Dating verloren. Denn der neue Trend lautet Beleidigung beim Online-Dating. Kopflose Körperfotos, Dickpics in der Erstnachricht oder gar Tinder Fake Accounts – alles Methoden, die wir zur Genüge kennen und mittlerweile genervt die Augen verdrehen.

Was fällt denn überhaupt unter eine Beleidigung beim Online-Dating?

Hier ein Landungsklatscher-Beispiel.
Spätabends gegen 22:30 Uhr, kopfloses Oberkörper-Profil schreibt mir.
Er: Hey, hast du noch Bock auf Fun? Ich bin grad horny… *dickpick*
Ich: Hey, danke dir für deine Nachricht. Aber ich bin nicht interessiert an Sexdates.
Er: Jetzt stell dich nicht so an. Ich hab so Druck und find dich scharf. *dickpic2* *dickpic3*
Ich: Danke dir! Wie gesagt, ich habe kein Interesse an Sexdates. Viel Erfolg noch bei der Suche!
Er: Du hässliche, fette Schwuchtel…was bildest du dir eigentlich ein? Du kannst froh sein, dass so ein Traumtyp wie ich mit dir schreibt und dich fragt, ob du ficken willst. Wahrscheinlich wixt du daheim im Dunkeln, damit deine Nachbarn nicht sehen, wie hässlich du bist.
Ich: Vielen Dank für deine charmante Nachricht! Mit der Einstellung wird dir sicher keiner einen blasen wollen. Viel Erfolg bei der Suche! *blockiert*

Solche und auch andere Nachrichten kommen mehrmals pro Monat an. Meistens bin ich dann fett, zu schwul oder auch nicht schwul genug, dumm, hässlich, selbstverliebt, arrogant, frigide oder verklemmt. Mir macht es nichts aus. Denn das sind alles Sprüche, die ich schon so oft in meinem Leben gehört habe, dass ich aufgehört habe, die Vorfälle zu zählen. Oftmals sind es Unsicherheiten, die man selbst hat und auf andere projiziert. Selbst wenn, dem nicht so ist, interessiert mich herzlich wenig, was ein kopfloses Profil auf einer Dating-Plattform über mich denkt. Denn du bist zu feig dein Gesicht online zu stellen. Aus allen nachvollziehbaren Diskretionsgründen gibt es dir nicht das Recht, mir eine Beleidigung beim Online-Dating an den Kopf zu werfen.

Wieso macht man das?

Das ist die Frage, die ich mir jedes Mal stelle, wenn mir jemand damit um die Ecke kommt. Was gewinnst du dadurch? Ist damit dein Ego gestärkt? Ist es wirklich soooo toll, jemand anderen niederzumachen? Und dann auch noch online? Macht dann das Masturbieren mehr Spaß? Denn eines ist sicher: mit der Pissnelken-Einstellung bekommst du sicher niemanden ab. Auch nicht nur für Fun/Spaß oder welche anderen Synonyme man mittlerweile für das Wort Sex verwendet. Ich sehe dich eher als traurigen Landungsklatscher auf dem Weg in eine verbitterte und einsame Zukunft. Denn deine Zukunft beim Online-Dating ist ziemlich gering. Ich gehöre nämlich zu den hoch verpönten Melde-Muschis auf Plattformen und sorge dafür, dass dein Profil gesperrt wird. Und zwar so lange, bis du kein Profil mehr erstellen kannst.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich nicht der Einzige bin, der mit einer Beleidigung beim Online-Dating zu kämpfen hat. Der Nachteil für den Landungsklatscher ist nur, dass ich eine gestärkte Persönlichkeit habe und mir das einfach nicht gefallen lassen. Im Gegensatz dazu trifft es aber auch oftmals Menschen, die damit nicht so leicht umgehen können. Die nehmen sich das zu Herzen, machen sich Gedanken darüber. Denn der Trend von Solidarität und Gemeinsamkeit zu Beginn der Pandemie ist ganz klar übergangen zu „Hauptsache, mir geht es gut und der Rest kann scheißen gehen“. Da wird dann auch der olympische Frieden samt seiner „wholesomeness“ über Bord geworfen. In Summe finde ich es beschämend, dass sich eine Community, die seit Jahrzehnten nach außen hin gegen Diskriminierung und Intoleranz ankämpft, sich innerhalb so niedermacht und beleidigt. We need to do better!


Dir gefällt dieser Beitrag nicht? Dann #blogmichdoch!


Ich, Joachim, bin ein Repräsentant der LGBTQ+ Community. Ich falle unter den Buchstaben G. Also, kurz gesagt: ich bin schwul! Damit kann ich aus einem ganz speziellen Blickwinkel über das Zusammenleben von Frauen und Männern berichten. Oder besser gesagt, warum es oftmals nicht so klappt.Neben dieser Sichtweise berichte ich auch über das Dating-Leben aus meiner Welt.