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Intime Fragen an einen schwulen Mann – ich mein, geht’s noch?

Homosexualität wird immer salonfähiger – es wurde auch langsam Zeit. Das zeigt auch der permanente Drang an neugierigen Fragen, die uns die Heteros gerne stellen. Es ist ja nicht so, als gäbe es so eine tolle Erfindung namens Google. Nein, das ist in diesem Fall eine unzulässige Quelle. Man befragt dann lieber den Homo, den man gerade eben erst kennengelernt hat. Schließlich gilt hier das Prinzip „kennst du einen, kennst du alle“. Ich habe mir daher mal die Mühe gemacht, die beliebtesten intimen Fragen an einen schwulen Mann zu sammeln und Antworten darauf zu geben, damit ihr uns das nie, nie, nie wieder fragen müsst.

Woher weißt du eigentlich, dass du schwul bist?

Mittlerweile habe ich je nach Tageslaune zwei Antworten auf diese Version der intimen Fragen an einen schwulen Mann. Antwort 1 ist eine Gegenfrage: woher weißt du, dass du hetero bist? Eine kleine Warnung sei hier gleich angemerkt: „weil es normal ist“ ist die falsche Antwort. Denn das ist einfach nur abwertend, verletzend und erniedrigend. Alleine für diese Aussage sehe ich dich nicht als „normal“ an. An anderen Tagen beantworte ich diese Frage gerne mit dem Homo-Abo, dass ich ausprobiert habe und vergaß nach 14 Tagen kostenfrei zu stornieren. Der irritierte Blick ist pures Gold wert. Ich empfehle, die Kamera bereitzuhalten und diesen Moment zu verewigen.

Musst du es immer so zur Schau stellen, dass du homo bist?

Kurz gesagt: ja! Wir leben seit Jahrhunderten damit, wie Heterosexualität in jeder Form zelebriert und gefördert wird. In Filmen, in Artikeln, in Werbespots, im täglichen Leben auf der Straße und auch in der Gesetzgebung. Ich verdrehe nur die Augen, wenn man mir diese Frage stellt. Denn ihr stellt eure Liebe auch öffentlich zur Schau. Ihr lauft händchenhaltend durch die Welt, ohne euch Gedanken machen zu müssen. Als Homo schaue mich dreimal um, bevor ich es auch nur wage, die Hand meines Freundes zu nehmen. Denn eines ist vorprogrammiert: irritierte Blicke, Getuschel und mindestens ein dummer Spruch von einem Wagemutigen! Dabei will ich einfach nur den Moment genießen, so wie ihr es auch tut.

Wirst du mich jetzt anbaggern?

Liebe Hetero-Männer, ihr seid nicht Gottes Geschenk an die Menschheit! So sehr euch dieser Eindruck durch die Gesellschaft, die Machthaber und sonstige Medien vermittelt wird. Ihr seid es nicht. Eher schicke ich euch ungeöffnet an den Absender zurück, bevor ich mich darauf einlasse. Ich will nicht jeden Mann sofort begatten, nur weil ich schwul bin. Ihr steht ja auch nicht auf jede Frau, weil ihr hetero seid. Jeder Mensch hat Präferenzen. Manche Männer mögen Frauen mit roten Haaren. Manche Frauen wundern sich, warum sie nur Arschlöcher anziehen. Sollten wir Anziehung zwischen zwei Menschen nur noch auf die Option Penis und Vagina runterbrechen, frage ich mich allerdings, in welchem Steinzeit-Jahr wir gelandet sind. Dann bestell ich mir den Uber-Service mit Marty McFly.

Tut ES – also, du weißt schon – eigentlich weh?

Mein persönlicher Liebling der oft gestellten intimen Fragen an einen schwulen Mann kann man nur mit der charmantesten Art, die dem Wiener so eigen ist, beantworten: ham’s dir komplett ins Hirn g’schissen? Die nüchtern-neutrale (aber auch weit langweiligere) hochdeutsche Übersetzung lautet: kein Kommentar! Im selben Atemzug wird auch gerne gefragt, wer denn die Frau in der Beziehung ist. Das ist meiner Meinung nach der Gipfel der Dreistigkeit. Seit wann ist es in Ordnung, fremde Personen nach Sexualpraktiken und deren möglichen Konsequenzen zu fragen? Stellt ihr beim Weihnachtsessen im Familienkreis auch die Frage, wer Doggy-Style bevorzugt? Oder bekundet ihr euer Interesse bei der Chefin, wann sie das letzte Mal so richtig rangenommen wurde? Bei allem Verständnis für sexuelle Aufklärung und Offenheit, sind das Themen, die ich mit engsten Freunden bespreche und sonst mit niemandem.

Kennst du den schwulen Mann da?

Natürlich! Seit meinem Coming Out bin ich auf magische Weise mit jedem anderen Homo auf dieser Welt verbunden. Wir sind alle die besten Freunde. Wir tragen mittwochs pink und tanzen wild durch den Club zu Gloria Gaynors I will survive. Lady Gaga ist unser neuer Messias seit Britney durchgedreht ist. Anna Wintour veröffentlicht monatlich die Bibel. Die Cosmopolitan lesen wir nur, damit wir Gesprächsthemen haben, wenn wir unsere beste Hetero-Freundin treffen. Okay, das war gelogen. Wir sind nicht alle die besten Freunde. Ganz im Gegenteil! Wir können uns alle nicht ausstehen, weil wir im selben Teich fischen. Unser Ziel im Leben ist es, die olympische Goldmedaille im Matratzensport zu erringen. Das erfährt man übrigens erst, wenn das kostenfreie Homo-Abo abgelaufen ist. Das ist die lange Antwort auf diese Version der intimen Fragen an einen schwulen Mann. Die Kurzform der Antwort ist total langweilig: nein, ich kenne nicht mal meine Nachbarn.

Abschluss der intimen Fragen an einen schwulen Mann!

Sind jetzt alle Antworten notiert? Gut, dann reißt euch in Zukunft am Riemen und überlegt dreimal, ob das nicht besser eine Frage für Google ist. Sollte es dennoch passieren, weil der moralische Kompass des inneren Schamgefühls einen Aussetzer hat, wundert euch nicht über eine herannahende Homo-kalypse. Denn wir sind es einfach Leid diese Fragen gestellt zu bekommen und auch noch allen Ernstes Antworten erwartet werden. Es soll ja schließlich niemand behaupten können, dass ich euch nicht vorgewarnt hätte.

#loveislove


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Ich, Joachim, bin ein Repräsentant der LGBTQ+ Community. Ich falle unter den Buchstaben G. Also, kurz gesagt: ich bin schwul! Damit kann ich aus einem ganz speziellen Blickwinkel über das Zusammenleben von Frauen und Männern berichten. Oder besser gesagt, warum es oftmals nicht so klappt.Neben dieser Sichtweise berichte ich auch über das Dating-Leben aus meiner Welt.